Zum Tag der Kinderhospizarbeit
Ihr Sohn beneidet sie. Soeben hat Astrid Winter mit dem Fußballverein Schalke 04 telefoniert. Warum? Wenn sie das erzählt, leuchten ihre Augen. Wie so oft, wenn sie von dem Erlebten beim Kinderhospizverein erzählt. Sie hat von der Firma Hornschuch zwei Karten für ein Bundesligaspiel bekommen. "Für jemanden, den es glücklich machen würde", hieß es. Den kennt Astrid Winter: Er sitzt im Rollstuhl, ist 15 Jahre alt und leidet unter einer Muskelerkrankung.
Astrid Winter ist seit Jahren im Vorstand des Kinderhospizes aktiv. Der bundesweite Tag der Kinderhospizarbeit am Dienstag, 10. Februar, ist für sie ein wichtiger Anlass, um über die Arbeit des Vereins zu informieren. Im vergangenen Jahr hat die Wahl-Hallerin die Koordination im Verein übernommen. Dafür macht sie eine Ausbildung. Sieben einwöchige Blöcke absolviert sie in Dresden. Den Urlaub, den sie als Abteilungsleiterin für Kinder, Jugend, Senioren und Soziales bei der Stadtverwaltung Hall hat, geht dabei so gut wie drauf.
"Ich will das!", sagt sie mit Nachdruck. Vor allem will sie Menschen zusammenführen. Sie mag zwar das Wort nicht so gerne, aber das, was ein Netzwerk kann, ist genau ihrs.
"Nicht die Jahre in deinem Leben zählen, sondern das Leben in unseren Jahren"
Verbindungen schaffen, die Welt ein bisschen größer machen, sich austauschen und miteinander etwas erleben. Wie zum Beispiel, als sie durch einen Kontakt mit zwei Pilotinnen einen Flugtag für die erkrankten Kinder und ihre Familien anbieten konnte. Oder, dass nun der Golfclub in Dörrenzimmern anbietet, den Familien einen schönen Tag zu machen. "Das erfüllt mich", sagt sie. Diesen Satz sagt sie so oft, dass die Schirmherrin des Vereins, Michaele Schick-Pelgrim, sich schon darüber lustig macht.Begleitung kann vieles bedeuten: Eine Geschichte vorlesen, damit die Zeit im Krankenbett nicht zu lang wird, einen Ausflug in den Leipziger Zoo machen oder einen Herzenswunsch erfüllen. Für den schwer kranken Daniel hieß das etwa, mit einem Flugzeug zu fliegen und sein Elternhaus aus der Luft zu betrachten. Manchmal sind es kleine Dinge, manchmal große – aber immer kommen sie von Herzen und haben nur ein Ziel: Das Leben lebenswert zu machen.
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des ambulanten Kinderhospizes in Schwäbisch Hall stehen Familien bei, in denen ein Kind oder ein Elternteil lebensverkürzend oder lebensbedrohlich erkrankt ist. Die Familienbegleiter versuchen eine Stütze zu sein, wenn die Betroffenen das Gefühl haben, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie sind da in Zeiten der Krankheit, des Sterbens und der Trauer.
„Nicht die Jahre in unserem Leben zählen, sondern das Leben in unseren Jahren.“ Das Zitat des amerikanischen Politikers und Botschafters der Vereinten Nationen, Adlai Stevenson (1900 – 1965), taucht oft auf, wenn es um das Thema Sterben geht. Auch über der Arbeit des Kinderhospizes steht dieser Leitspruch. „Wir orientieren uns bei den Einsätzen an den Bedürfnissen und Interessen der erkrankten Kinder, der Geschwister und Eltern“, erklärt Astrid Winter, die die Arbeit der Ehrenamtlichen koordiniert. Jeder Besuch und sämtliche Aktivitäten erfolgen in Absprache mit den Eltern. Sieben Familienbegleiterinnen sind zurzeit für das Kinderhospiz im Einsatz. Sie betreuen elf Familien im gesamten Landkreis und darüber hinaus. Auch in Künzelsau gibt es eine Familie, die diese Hilfe in Anspruch nimmt. Drei weitere Begleiter schließen im März ihre Ausbildung an der Süddeutschen Kinderhospizakademie in Bad Grönenbach ab und unterstützen anschließend das Team. „Wir sind froh, solch engagierte Ehrenamtliche zu haben. Da es immer wieder Anfragen gibt, können wir weitere Familienbegleiter gebrauchen“, sagt die Einsatzleiterin.
Vor allem im Raum Crailsheim gibt es mehr Familien, die Unterstützung suchen, als Ehrenamtliche, die Hilfe anbieten. Der zeitliche Einsatz richtet sich nach dem Bedarf der Familie. Mindestens einmal in der Woche gibt es einen Kontakt, in Krisenzeiten auch öfter. Im Jahr 2013 wurden insgesamt 819 Stunden geleistet.
Das Angebot ist für die Familien kostenfrei. 30 Familien wurden seit der Gründung des ambulanten Kinderhospizes im Jahr 2006 unterstützt. Finanziert wird die Arbeit über Spendengelder. „Inzwischen werden wir gut mit Spenden bedacht“, berichtet Schirmherrin Michaele Schick-Pelgrim. Mal sind es große Summen von Unternehmen aus der Region, mal der Erlös eines Schulfestes. Kürzlich gaben Drittklässler einen Teil ihres Kommuniongeldes als Spende im Büro des Kinderhospizes ab. Die Frau des Haller Oberbürgermeisters wirbt immer wieder neue Sponsoren an und leistet Netzwerkarbeit. „Ich habe keine Sekunde gezögert, die Schirmherrschaft zu übernehmen“, sagt Schick-Pelgrim. „Kinderhospizarbeit ist eine wichtige Aufgabe, die wirklich Sinn macht.“
Letzter Wunsch: Beerdigung neben Großvater
Die Spendengelder werden für die Ausbildung der Familienbegleiter verwendet, für die Aufwandsentschädigung der Einsätze und für alles, was den Familien direkt zugute kommt. Das können ein Kinobesuch mit einem Jugendlichen sein, eine Krankenfahrt zu einem Spezialisten, die die Krankenkasse nicht übernimmt oder Überführungskosten. So konnte beispielsweise der letzte Wille einer Jugendlichen mit Spendengeldern erfüllt werden: Sie wollte neben ihrem Großvater auf einem Friedhof in Norddeutschland beerdigt werden.
Doch nicht nur schwerkranke Kinder stehen im Blickpunkt der Familienbegleiter. Auch für Geschwisterkinder, die im Alltag oft zu kurz kommen, nehmen sich die Ehrenamtlichen Zeit. Sie helfen bei den Hausaufgaben, organisieren Ausflüge, die die Familie mit dem erkrankten Kind nicht machen kann oder bieten Gespräche an.
Gesprächsangebote gibt es auch für die Eltern. Über Themen wie Sterben und Tod, über Belastung und Überforderung können Mütter und Väter schwerkranker Kinder nicht mit jedem reden. Bei den Ehrenamtlichen des Kinderhospizes finden sie ein offenes Ohr. Darüber hinaus schaffen die Familienbegleiter Freiräume: Sie übernehmen stundenweise die Betreuung des erkrankten Kindes und ermöglichen den Eltern eine Verschnaufpause.
„Eine Begleitung zieht sich oft über viele Jahre, weil sie mit der Diagnosestellung beginnt und über den Tod eines Familienmitglieds hinausreicht. Da bilden sich Beziehungen. Der Familienbegleiter wird fast zum Familienmitglied“, erzählt Astrid Winter. Um Abstand zu wahren, gibt es regelmäßig Supervisionen für die Begleiter.
Um Angehörige kranker Kinder miteinander in Kontakt zu bringen, plant die Koordinatorin, die hauptberuflich bei der Stadt Schwäbisch Hall arbeitet, ein Eltern-Frühstück in den Räumen des Kinderhospizes. „Das Bedürfnis, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen ist groß“, vermutet Winter. Und sie hat weitere Pläne: „Wir brauchen dringend eine Trauergruppe für Kinder, die Vater oder Mutter verloren haben. Sie sind in ihrer Trauer meist allein“, weiß Winter. Ein stationäres Kinderhospiz, wie jenes, das 2016 in Stuttgart eröffnet werden soll, vermisst sie in unserer Region nicht. Winter: „Eine Auszeit im stationären Hospiz ist wichtig, aber sie dauert nur 28 Tage. Für die restliche Zeit des Jahres sind dann wir da.“
Bundesweiter Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar